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Dieses Thema hat 1 Antworten
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 Ödön von Horvath: "Geschichten aus dem Wiener Wald"
Deutsch_HNG Offline



Beiträge: 9

21.12.2008 17:48
exemplarische Analyse Szene Stephansdom Antworten
Aufgabe: Veranschaulichen Sie Ihre Ausführungen im Rahmen einer exemplarischen Analyse der Figurengestaltung und der Dialoggestaltung mit der siebten Szene im zweiten Akt (Stephansdom).

In dieser Szene gehet Marianne zu einem Beichtvater in die Kirche und beichtet ihm alles, was in den letzten Jahren passiert ist. Sie erzählt ihm, dass sie ein uneheliches Kind, ihren Verlobten und somit auch ihren Vater verlassen und sogar versucht hat ihr ungeborenes Kind zu töten.
Eigentlich müsste der Beichtvater ihr nach so einem Geständnis gut zureden, dass Gott sie auffangen wird. Aber er zeigt kein Verständnis und verurteilt sie sogar noch: „Du hast deinem armen Vater, der dich über alles liebt (...) schmerzliches Leid zugefügt, Kummer und Sorgen (...), hast deinen braven Bräutigam verlassen und hast dich an ein verkommenes Subjekt geklammert (...) und so lebst du nun mit jenem erbärmlichen Individuum ohne das heilige Sakrament der Ehe (...)“ (Zitat, S. 67, Z. 17-25)
Diese Vorwürfe lässt Marianne sich gefallen, obwohl die Worte des Beichtvaters voll von Abscheu und Verachtung sind. Doch auf die Frage, „Ob denn bei all dem etwas Gutes herauskommen“ (Zitat, S. 68, Z.1) kann. Entzieht sie sich jeder Verantwortung. Sie stellt sich dümmer als sie ist und schiebt diese Entscheidung, dass Kind abtreiben zu wollen, ganz auf Alfred. Dadurch wirkt sie naiv, was wie schon bei Aufgabe 1 erwähnt auch eine Art von Dummheit ist. Es zeigt aber auch ihre tatsächliche Abhängigkeit von Alfred, dass sie nicht in der Lage ist eigene Entscheidungen zu treffen.
Jedoch im weiteren Verlauf des Gesprächs, der Ausfragung des Beichtvaters merkt sie, dass nur sie allein die Verantwortung trägt. Sie wächst innerlich und bekommt mehr Selbstbewusstsein. Innerhalb den Zeilen 8-12 macht Marianne einen Wandel durch. Anfangs sagt sie noch, dass es nur Alfrad „zulieb“ gewesen wäre, doch gegen Ende ihrer Antwort realisiert sie, was für einen Fehler sie begannen hat. Sie merkt, dass sie überhaupt nicht hinter der Entscheidung Alfreds stand und macht sich zu den Vorwürfen des Beichtvaters, selbst auch noch welche. Nach dieser Erkenntnis und der einsetzenden Stille, übernimmt der Beichtvater wieder das Gespräch.
Er befragt sie schon wie in einem Verhör, wo das Kind jetzt sei, ob diese Leute, bei denen es lebt, gottesfürchtig seien und ob sie es bereue, dass sie das Kind töten wollte.
All diese Fragen beantwortete Marianne wahrheitsgemäß, der nächsten aber folgt wieder eine Stille. Die Frage lautete, ob sie es bereue, mit Alfrad in wilder Ehe zusammenzuleben.
Diese Stille ist nicht, wie aus vorhergehenden Szenen eine Stille des Schweigens und des Überlegens, was man als nächstes machen, sagen oder tun kann, damit das Gespräch nicht sofort abbricht. Sondern in dieser Stille denkt Marianne wirklich nach. Es ist eine ehrliche Stille, die sie braucht, um sich über einige Sachen in ihrem Leben klarzuwerden.
Dann antwortet sie aber eher ausweichend „Ich dachte mal, ich hätte den Mann gefunden, der mich ganz und gar ausfüllt“ (S.68, Z.27-28) Dieser Satz bedeutet sehr viel. Zum einen zeigt es, dass Marianne gar nicht so voll Dummheit ist wie die anderen zentralen Personen des Stückes, da sie selbstständig denken kann und dabei nicht von Grausamkeit gelenkt wird, Sie ist echt, zeigt ihre Fehler und hebt sich somit von den Anderen ab. Marianne ist nicht zu faul, um zu denken oder sich Fehler einzugestehen.
Nach einer weiteren Frage, ob sie es bereue mit Alfred zusammenzuleben, antwortet sie mit einem schlichten „Ja“ (S.68, Z.31), da sie ehrlich keine andere Antwort geben kann. Zwischen dieser Frage und dem „Ja“ liegt wieder eine Stille. Diese verdeutlicht nochmals ihren Zwiespalt zwischen der allgemeinen Verleugnung von Problemen und Fehlern des Kleinbürgertums und ihrer aufkeimenden Ehrlichkeit und sich der eigenen Naivität zu stellen.
Wie schon erwähnt stellt sie sich sich selbst, gesteht sich ihren Fehler ein und antwortet mit einem „Ja“.
Die neue Frage des Beichtvaters, ob sie es bereue ihr Kind „im Zustand der Todsünde empfangen und geboren“ (S.68, Z.32-33) zu haben, beantwortet sie, jedoch nach einer Stille, ganzdeutlich mit einem „Nein. Das kann man doch nicht.“ (S.68, Z.1) Die vorhergehende Stille wirkt auf mich sehr kurz. Marianne braucht nur noch einmal Mut, um ihren neuen Weg u gehen und eigene Entscheidungen zu treffen. Daraufhin geht das Gespräch zwischen Marianne und dem Beichtvater hin und her, bis die eher schüchterne, ruhige Marianne ausbricht und den Beichtvater unterbricht mit einem „Nein, das tu ich nicht. -Nein, davor hab ich direkt Angst, dass ich es bereuen könnt. - Nein, ich bin sogar glücklich, dass ich es hab, sehr glücklich.-“(S.69, Z.5-8) Mit diesem Ausbruch Mariannes hat selbst der Beichtvater nicht gerechnet, da auf diesen emotionalen Ausbruch eine Stille folgt. Normalerweise widerspricht man seinem Beichtvater nicht und unterbricht ihn auch nicht. Aber in Marianne hat sich alles aufgestaut und in diesem Moment ist es aus ihr herausgebrochen. Sie konnte ihren angehäuften Emotionen Luft machen und sich selbst auch.
Daraufhin folgt die Gegenfrage des Beichtvaters, was sie dann denn von ihrem Herrgott wolle und Marianne wirkt nun bei ihrer Antwort, dass ihr Herrgott ihr vielleicht etwas sagen werde, sehr unselbstständig und hilflos. Es scheint, dass all ihre Energie, sich dem Schein zu widersetzten durch ihren Ausbruch verloren gegangen ist. Denn auch ihre nächste Antwort wirkt fast schon kindlich „Wenn es mir gut geht, dann ist Er ja bei mir...“ (S.69, Z.16-17)
Sie wirkt trotzig und ihr vorheriger, durch ihre Ehrlichkeit bedingter überlegender Status, ist nun wieder dem allgemein höheren Status des Beichtvaters unterlegen.
„... -aber nein, dass kann Er doch nicht von mir verlangen, dass ich das bereu – dass wär ja wider jede Natur-“(S.69, Z.17-19) So beendet Marianne ihren erst sehr kindlich wirkenden Satz. Sie wirkt zwar immer noch etwas verunsichert, jedoch wehrt sie sich strikt gegen die Anweisung des Beichtvaters, das zu bereuen, was ihrer Meinung nach „gegen die Natur“ wäre. Auf dieses Argument seitens Marianne geht er aber gar nicht ein und sagt nur, dass sie erst mit sich ins Reine kommen sollte, bevor sie wiederkommen dürfe.
Diese Aussage entspricht aber nicht dem, aus welchem Grunde Marianne den Beichtvater aufgesucht hat. Sie wollte Hilfe in einer schweren Zeit und er sagt ihr, dass sie erstmal ihre Probleme klären soll, bevor sie wieder vor den „Herrgott“ tritt.
Der Beichtvater geht und Marianne ist nur noch alleine. Nun wendet sie ihr Wort direkt an Gott. Sie beteuert, dass sie kein schlechter Mensch sei und fragt, was er mit ihr vorhabe. Unterschwellig klingt auch Sorge mit. Sie hat schon Schweres durchzustehen gehabt und weiß nicht, wie es weitergehen soll.
Nach ihren eigenen Ausbruch und Dummheit fällt sie wieder zurück und sucht Hilfe. Sie wendet sich zwar an Gott, aber ihre zuvor scheinbar gewonnene Selbstständigkeit und der Drang eigenständig zu denken sind kaum mehr vorhanden. Dafür aber ihre Ehrlichkeit alleine nicht mehr weiterzuwissen. Nun wirkt sie schutzlos und braucht eine leitende Hand, die ihr zeigt, wo es langgeht.

Insgesamt gesehen, hat Marianne von Anfang an keine Möglichkeit Hilfe vom Beichtvater zu bekommen, da er sie gleich abstempelt und in eine Schublade steckt. Jedoch hilft sie sich im Laufe des Gespräches selbst und erhält somit auch Antworten auf ihre Fragen. Der Beichtvater lehnt sie aber mit solch einer Entschlossenheit ab, da er ihr die religiösen Stereotypen aufzuzwingen versucht. Er hat einfach keinen Platz für eine selbstständig denkende Frau und zeigt somit auch seine eigene Engstirnigkeit und Dummheit, da er stehen bleibt und nicht mit der Zeit gehen will. Er hat seine christliche, kleinkarrierte Einstellung und hat auch keine Lust diese zu ändern oder auch nur darüber nachzudenken.
Somit hat Marianne nur kurz etwas erreicht, was der Beichtvater durch seine Dummheit gleich wieder zerstört hat.

Henriette Offline



Beiträge: 2

21.03.2009 17:01
#2 RE: exemplarische Analyse Szene Stephansdom Antworten

Ich finde die Analyse richtig gut und man kannsich ja auch in etwa denken, WAS sie verdeutlichen soll, aber wie lautete denn die Aufgabe davor?

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